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Märchen, die Mut machen

Die Homeoffice- und Homeschooling-Zeit geht in die Verlängerung. Mein Großer hat seinen neuen Lernplan bekommen und die Begeisterung hält sich in Grenzen (bei uns allen!). Dafür haben wir aber einen schönen Elternbrief von seiner Mathe-Lehrerin bekommen, der mir Mut gemacht hat. In dem Brief schlug die Lehrerin uns Eltern vor, mit unseren Kindern in dieser schwierigen Zeit Märchen zu lesen – und zwar am besten Geschichten von Menschen, die sich ebenfalls in einer schwierigen Lage befinden und denen geholfen wird. Mit dabei war eine Liste mit Märchen, die Mut machen. Ich finde die Idee so toll, dass ich sie mit euch teilen will. Und ich wollte mehr über die Kraft von Märchen wissen, deshalb habe ich bei Frau Sänger nachgehakt….

Interview

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Frau Sänger, warum sind Märchen für Kinder (und auch Eltern) in schwierigen Situationen besonders wichtig?

Ich glaube, Märchen sind für uns lebens-not-wendig – gerade jetzt in der aktuellen Situation, die durch das Coronavirus beherrscht wird. Märchen geben unseren Kindern das, was sie in Zeiten der Angst und der Unsicherheit so sehr brauchen. Wir Erwachsenen erklären ihnen die Welt oft zu früh und ausschließlich über die Sprache und den Intellekt. Aber Kinder verfügen noch nicht über das Handwerkszeug, diese Informationen auf eine altersangemessene Weise zu verarbeiten. So kommt es häufig zur Überforderung.

Ganz anders wirken Märchen. Bruno Bettelheim, der große Kinderpsychologe, dessen Buch „Kinder brauchen Märchen“ 1976 veröffentlicht wurde und ein Klassiker geworden ist, schrieb: „Märchen sind geistige Forschungsreisen und deshalb am lebenswahrsten, weil sie menschliches Leben so offenbaren, wie es von innen her gesehen, empfunden oder erkannt wird!“

Mithilfe von Märchen begegnen Kinder einer sogenannten „inneren Wahrheit“, einer Lebens-Wahrheit. Nach Franz Kett ist dies „… die Wahrheit, wie Leben geht, wie es reift, gelingt, wie es sich erfüllt; wie es in allen Schwierigkeiten Lösungen gibt und Erlösung. Dabei werden keine Regeln und Vorschriften aufgestellt. Der Weg wird in Bildern aufgezeigt. Sie sind es, die unsere Seele nähren, in den Bann schlagen…“.

Es sind also die Bilder, die Märchen so wertvoll machen?

Ja, genau. Felicitas Betz, eine bedeutende Märchenerzählerin, weist in ihrem Buch „Märchen als Schlüssel zur Welt“ auf die Bildsprache der Märchen hin, die die Bilder in der kindlichen Seele wecken und beleben. Die bildhafte Sprache der Märchen trifft bei den Kindern auf deren ganz spezifische Sensibilität. Im Kindergarten-und Grundschulalter aktivieren die Kinder eine Bewusstseinsschicht, in der bildhaft erlebt und bildhaft gedacht wird. Sie begreifen in dieser Phase über Symbole und Bilder die ganze Welt und ihre Zusammenhänge. Die Märchen docken quasi an die Kinder an; sie sind „kundige Begleiter“ auch in schwierigen Zeiten, deshalb sind sie gerade jetzt so wichtig.

Bezogen auf die Beziehungsfähigkeit, die Kreativität und die Vorstellungswelt von Kindern und auch menschlichen Gemeinschaften im Allgemeinen haben Märchen eine strukturierende und ordnende Kraft. Sie haben einen entscheidenden Einfluss auf die Strukturierung der neuronalen Verschaltungsmuster ebenso wie auf die Herausformung der sogenannten „inneren Bilder“ im Gehirn von Kindern und Erwachsenen.

Märchen können Kindern Halt, Struktur und Bilder zur Verarbeitung der aktuellen Situation geben. Und uns Erwachsenen können sie dabei helfen, unsere Kinder auf diesem Weg zu begleiten.

Quasi als Nebenwirkung auf dem Beipackzettel der „Arznei Märchen“ steht für die erzählenden und vorlesenden Erwachsenen: Märchen wirken tröstend und heilsam. Märchen sind in der Lage, die Erwachsenenseele im gleichen Maße zu nähren wie die Kinderseele.

Und was genau bewirken Märchen bei Kindern?

Gerald Hüther, einer der populären Neurobiologen und Hirnforscher unserer Zeit, belegt mit Hilfe der neuen, bildgebenden Verfahren, dass die im menschlichen Gehirn angelegten Verschaltungen der Nervenzellen als innere Repräsentanzen von Denk-, Gefühls- und Handlungsmustern durch eigene Erfahrungen herausgeformt werden. Die Erfahrungen, die für die eigene und die kollektive Lebensbewältigung entscheidend sind, werden von Generation zu Generation weitergegeben: Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, Vorstellungen, Regeln und Bewertungsmaßstäbe, Haltungen und Orientierungen. Märchen sind ein tragendes Instrument zur Überlieferung wichtiger transgenerationaler Botschaften.

Das war die wissenschaftliche Seite, vielen Dank! Und jetzt zum ganz Konkreten: Gibt es Tipps oder Anregungen, wie wir Märchen am besten vorlesen?

Sie können sich auf das Vorlesen oder Erzählen vorbereiten, indem Sie ein Märchen erstmal für sich selbst lesen, laut oder leise. So können Sie sich quasi die Geschichte „einverleiben“. Es ist gut, das Vorlesen ein wenig zu üben. Schauen Sie dabei auch, ob in dem Märchen schwierige oder unverständliche Wörter vorkommen, und erklären Sie diese Ihrem Kind vorher.

Wenn Sie dann Ihren Kindern ein Märchen vorlesen, ist Ruhe das A und O. Das heißt: Fernseher, Telefon und Handy sind aus, es läuft keine Musik im Hintergrund und Sie haben keinen Termindruck.

Wichtig ist, dass Sie das ganze Märchen vollständig vorlesen und sich auch nicht unterbrechen lassen. Lesen Sie es so, wie es ist, ohne etwas zu verkürzen oder mit Ihren eigenen Worten zu umschreiben. Und lesen Sie immer die gleiche Version des Märchens vor.

Es kann sein, dass Ihr Kind ein und dasselbe Märchen häufig hören möchte. Das heißt, dass es die Geschichte noch „braucht“. Ihr Kind hat dann im übertragenen Sinn die „geheime Botschaft“ des Märchens noch nicht verdaut; der Prozess des „Sich-Einverleibens“ dauert noch an. Lesen Sie also das Märchen so oft vor, wie Ihr Kind es möchte.

Frau Sänger, ich danke Ihnen für das Gespräch!

Johanna Sänger ist seit fast 30 Jahren Lehrerin, hat drei erwachsene Kinder und ist verheiratet. Außerdem ist sie systemische Therapeutin und Beraterin, hat eine eigene Gesprächspraxis, macht regelmäßig märchenpädagogische Veranstaltungen und hält Vorträge zum Thema Märchen.

Kontakt: jo.saenger@web.de

Märchen, die Mut machen

Bauer, Angeline: Heilende Märchen. Geschichten, die Kinder stark machen. Märchen gegen Kinderängste und -sorgen. Damit das Selbstbewusstsein wächst. Im Anhang des Buches finden sich Märchenempfehlungen zu den verschiedensten Themen.

Blaschek-Krawczyk, Ulrike (Hg): Zauberpferd und Nebelriese. Märchen zum Vorlesen.

Dickerhoff, Heinrich/Lox, Harlinda (Hg.): Märchen für die Seele. Märchen zum Erzählen und Vorlesen.

Heim, Heidi: Lebensfeste. Neu feiern. Mit Märchen und Ritualen Lebensübergänge gestalten.

Hilty, Elisa: Apfelfrau und Nelkenmann. Zaubermärchen aus aller Welt.

Hilty, Elisa: Mit Wolf und Geiss um die ganze Welt. Von listigen Wölfen, mutigen Ziegen und einfallsreichen Kindern. Märchen interkulturell.

Hilty, Elisa: Einäuglein, Zweiäuglein, Dreiäuglein. Wege zum Märchen

Schlachetka, Werner: Märchen. Rätsel. Reime. Märchen zum Raten und Vorlesen.

Schnitzler-Forster, Jutta/Schmale-Gebhard, Kerstin: Ein Jahr für die Sinne. Das große Buch der Jahreskreisfeste.

Gebrüder Grimm: Das Waldhaus, Der Froschkönig oder der eiserne Heinrich, Die Sterntaler (z.B. im: Die 100 schönsten Märchen der Brüder Grimm. Illustration: Drescher, Daniela. Urachhaus).

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Was ist die Summe aus 2 und 6?

Heidi

Die Märchen sind spannend erzählt.
Meine Kinder und ich haben begeistert der Märchenerzählerin zugehört.
Toll!!
Meine Kinder hören sich die Märchen immer wieder an.
Vielen Dank

Antwort von Paola - Naturwichte

Liebe Heidi,

das freut uns sehr!

Liebe Grüße,

deine Naturwichte


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