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Familienessen ohne Stress
Neulich beim Abendbrot bei meiner Freundin mit ihren kleinen Kindern: Das eine Kind möchte kein Brot, es landet auf dem Boden, das andere Kind schreit und möchte lieber Müsli essen. So ein Familienessen kann so schön gemütlich sein! Aber manchmal auch ganz schön nervig: wenn die Kinder das Essen nicht mögen, sich streiten und die Eltern gestresst sind, weil das Gemüse mal wieder liegen bleibt. Aber geht das nicht auch anders? Was kann man tun, damit das Familienessen stressfrei wird? Das weiß Frau Dr. Kühne vom Arbeitskreis für Ernährungsforschung in Bad Vilbel.
Interview
Frau Dr. Kühne, warum sollte eine Familie überhaupt regelmäßig gemeinsam essen?
Eine Familie bildet ja eine Einheit, und da ist es gut, wenn es immer wieder Gelegenheiten für ein soziales Miteinander gibt. Ein gemeinsames Essen ist eine schöne Gelegenheit dazu. Da können die Familienmitglieder sich erzählen, was sie gerade bewegt – ohne Ablenkung durch Handy oder Fernsehen. Heute, wo viele Eltern berufstätig sind, ist meistens das Abendessen der Treffpunkt für die Familie. Mittags sind alle unterwegs, und das Frühstück fällt meistens hektisch aus.
Das hört sich gut an. Trotzdem sind Familienessen ja oft stressig. Woran liegt das eigentlich?
Beim Frühstück wird das ganz deutlich. Hier hat jeder seinen eigenen Zeitplan, der eingehalten werden muss: Der Schulbus wartet nicht, der Tisch muss noch abgeräumt und Schulbrote belegt werden, und die Arbeit ruft auch schon. Das führt dann dazu, dass das Frühstück in großer Hektik eingenommen wird, häufig im Stehen. Und viele Kinder gehen sogar ganz ohne Frühstück in die Schule. Manchmal hilft es schon, einfach ein wenig früher aufzustehen. Was für Kinder ein guter Morgen ist, kann sehr unterschiedlich sein: Einige Kinder sind Morgenmuffel, bei denen dauert es ein bisschen länger, bis sie wach sind. Da ist es gut, sie etwas früher zu wecken und beim Frühstück nicht gleich mit Fragen zu bombardieren. Andere Kinder sind morgens gleich fit und können vielleicht sogar mithelfen, den Tisch zu decken. Und Pausenbrote können schon am Abend vorbereitet werden, das nimmt viel Stress aus der Situation.
Auch beim Abendessen kann es natürlich Zeitdruck geben, zum Beispiel, wenn die Kinder zu einer bestimmten Zeit ins Bett müssen. Dann sollte man das Abendessen etwas früher beginnen und nicht auf den letzten Drücker noch etwas Aufwändiges kochen.
Apropos reden: Sind beim Essen alle Themen erlaubt?
Abends haben wir oft den Kopf voll von den Erlebnissen des Tages, und die möchten wir dann noch loswerden. Obwohl es natürlich schön ist, gemeinsam über das Erlebte zu sprechen, gehören nicht alle Themen an den Essenstisch. Problematisch sind Themen, aus denen schnell ein Streit entsteht, zum Beispiel Schulnoten; oder aber Themen, bei denen viel Ärger mitschwingt, wie ein Streit unter Kollegen. Gespräche sind geistige Nahrung und damit auch eine Art der Ernährung, deshalb sollten sie beim Essen eher leicht und heiter sein. Ärger zum Beispiel überträgt sich schnell auf die Gesprächspartner und schlägt auf den Magen. Da heißt es für die Erwachsenen, sich etwas zusammenzureißen und solche Themen einfach zu vertagen. Manche Fragen gehören auch eher in eine Familienkonferenz als an den Abendbrottisch.
Kinder sind sehr unterschiedlich, wenn es darum geht, ihre Erlebnisse zu verarbeiten. Einige sprudeln quasi über und erzählen ohne Punkt und Komma; da können die Eltern hier und da ein bisschen bremsen und die Aufmerksamkeit wieder auf das Essen lenken. Anderen Kindern muss man alles aus der Nase ziehen. Es macht keinen Sinn, ein solches Kind immer wieder mit Fragen zu drängen, denn auch das macht schlechte Stimmung am Essenstisch.
Und wie ist es mit dem Essen selbst? Wie sollte man damit umgehen, wenn es mal wieder nicht schmeckt?
Ich finde es gut, wenn Kinder alles, was auf den Tisch kommt, einmal ausprobieren und sich dann entscheiden, ob sie es mögen oder nicht. Wenn allerdings eine starke Abneigung gegen einige Lebensmittel besteht, zum Beispiel gegen fettes Fleisch oder eine Kohlsorte, dann tun die Eltern gut daran, das einfach zu akzeptieren. Das ist schon ein Riesenschritt, um den Stresspegel am Tisch zu senken. Ich glaube nicht, dass Kinder sich an bestimmte Dinge „gewöhnen“, wenn man sie ihnen nur oft genug vorsetzt; jedenfalls nicht, wenn die Abneigung groß ist. Und schließlich muss auch nicht jedes Kind alles gerne essen.
Die meisten Eltern wollen ja nur, dass ihr Kind gut mit allem versorgt ist…
Das stimmt. Trotzdem sollten sie sich von ihren Sorgen, was die Ernährung ihres Kindes angeht, befreien und stattdessen lieber ihr Kind wahrnehmen: Sieht es gesund und munter aus? In welcher Atmosphäre isst es gerne und in welcher schmeckt es ihm nicht? Braucht es vielleicht mehr Zeit und Ruhe zum Essen oder ist es ein Schnellesser? All das ist in Ordnung, und wenn Sie Ihr Kind gut kennen, können Sie die Essensituation so einrichten, dass es sich wohlfühlt.
Manchmal sind kleine Tricks auch wirkungsvoller als Ermahnungen: Bieten Sie Ihrem Kind zum Beispiel mal einen Obstsalat im Glas statt eines ganzen Apfels an. Manchmal macht es nämlich einen Unterschied, wie ein Lebensmittel zubereitet und präsentiert wird. Kleine Kinder mögen es auch, wenn man ihnen zum Essen eine Geschichte erzählt und sie so die Lebensmittel kennenlernen. Oft verschwindet dann auch die Abneigung. Und wenn die Kinder am Kochen beteiligt sind, schmeckt es ihnen auch oft viel besser.
Und was tut man gegen den Frust, wenn man stundenlang am Herd gestanden hat und es dann keinem schmeckt?
Ja, manchmal haben sich die Eltern sehr viel Mühe mit dem Essen gegeben, und wenn dann nur darin herumgestochert wird, fehlt ihnen die Wertschätzung für ihre Arbeit. Auch dadurch kann Stress oder schlechte Stimmung am Familientisch entstehen. Am besten ist es, wenn der Koch oder die Köchin sich klar macht, dass sie nicht nur für die anderen kocht, sondern auch für sich selbst. Es ist völlig in Ordnung, auch nach dem eigenen Geschmack zu gehen. Und wenn Sie trotzdem Lust auf aufwändige Experimente haben, sollte Ihnen bewusst sein, dass die vielleicht nicht von jedem geschätzt werden. Aber wenn es Ihnen schmeckt und Spaß gemacht hat, stecken Sie ein bisschen Kritik auch viel entspannter weg.
Und was sagen Sie zu Tischmanieren? Sind die gut oder schlecht für die Stimmung?
Mit gutem Benehmen bei Tisch drückt man auch seine Wertschätzung für das Essen aus, für die Lebensmittel und die Arbeit, die im Essen steckt. Deshalb sind Tischmanieren auf jeden Fall wichtig, und irgendwann muss ein Kind sie ja lernen. Wie sehr man auf das Benehmen am Tisch achten sollte, ist vom Alter des Kindes abhängig. Kleine Kinder dürfen mit dem Essen matschen – das ist ihre Art, es kennenzulernen. Die Eltern sollten einfach darauf achten, dem Kind nur kleine Mengen auf den Teller zu füllen, damit sie nachher nicht zu viel wegwerfen müssen.
Generell sollten Eltern von kleineren Kindern nicht erwarten, dass diese selbst entscheiden, wie viel sie sich auf den Teller füllen, denn das können sie einfach noch nicht abschätzen. Wenn der Teller dann nicht leergegessen wird, ist das auch wieder ein Grund für schlechte Laune.
Bei älteren Kindern können die Eltern schon etwas mehr auf die Manieren achten und Regeln für das gemeinsame Essen festlegen. Aber wenn es zu streng wird, entsteht auch wieder Stress. Jeder am Tisch sollte sich so gut benehmen, dass er niemanden stört und die anderen sich wohl fühlen können. Denn darum geht es ja eigentlich: dass unser Körper, aber auch unsere Seele gut genährt werden will, und das geschieht nicht nur durch gutes Essen, sondern auch durch eine nette Tischgesellschaft und Freude am Beisammensein.
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