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Bildschirmfrei bis 3 – so gelingt’s

Handys, Fernseher, Tablets & Co. sind in unserem Alltag selbstverständlich geworden und oft nützliche Wegbegleiter. Doch im Familienalltag führt die Mediennutzung oft zu Diskussionen. Die deutschlandweite Studie „Bildschirm frei bis 3“ basiert auf einer Expertenleitlinien und untersucht, welchen Unterschied es macht, wenn schon ab der Geburt auf einen bewussten Umgang geachtet wird.

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Frau Dr. Schwarz, gemeinsam mit einem Team haben Sie „Bildschirmfrei bis 3“ auf die Beine gestellt. Was ist das Ziel?

„Bildschirmfrei bis 3“ ist eine Studie, die es sich zum Ziel gemacht hat, Risiken der Mediennutzung im Beisein von Säuglingen und Kleinkindern bis zum Alter von drei Jahren zu untersuchen. Dabei geht es auch um den Medienkonsum von Eltern bzw. auch von älteren Geschwistern. Gleichzeitig soll ein medienbewusster Konsum in Familien etabliert werden.

Was konkret können Risiken sein, wenn Bildschirmmedien bis zum Alter von drei Jahren eingesetzt werden? 

Die übermäßige Nutzung von Bildschirmmedien kann zahlreiche gesundheitliche Folgen haben, die noch nicht abschließend geklärt sind. Wissenschaftliche Studien bringen bereits einige Auffälligkeiten mit frühkindlicher Bildschirmmediennutzung in Zusammenhang. Dazu gehören beispielsweise eine verzögerte Sprachentwicklung, Verhaltens- und Bindestörungen sowie fein- und grobmotorische Entwicklungsprobleme und vieles mehr. Deshalb empfehlen wir, Bildschirmmedien wie Fernsehen, Tablet & Co. bis drei Jahre überhaupt nicht einzusetzen. Weder aktiv, noch passiv im Beisein des Kleinkindes. Gerade in diesem Alter sollten andere Prioritäten gesetzt werden: Dazu zählen die ungeteilte Aufmerksamkeit und Zeit mit intensiver Zuwendung, viel Körperkontakt und liebevoller Nähe.

Oma spielt mit Enkel
Mutter liest Tochter vor
Vater und Sohn in der Natur

Welche Tipps gibt es, um bis 3 Jahre bildschirmfrei zu bleiben?

Rituale wie das gemeinsame Essen, Spieleabende und Vorlesen von Geschichten zum Einschlafen geben dem Familienalltag einen Rhythmus. Beim gemeinsamen Essen bzw. beim Stillen und während einer Unterhaltung sollten digitale Medien Pause haben und generell möglichst viel Zeit in der Natur verbracht werden – hier gibt es genug Spannendes zu entdecken. Wenn Kinder einmal und zu früh an Medien gewöhnt werden, ist die Gefahr groß, dass sie „hängenbleiben“ und das Entwöhnen führt zu großen Schwierigkeiten. Hier sind die Eltern und großen Geschwister gefragt, ihr eigenes Verhalten zu reflektieren und anzupassen, um kleinere Kinder nicht zu früh mit Medien in Kontakt zu bringen.

Können werdende Mütter und Väter sich schon in der Schwangerschaft vorbereiten?

In der Zeit, wenn Menschen Eltern werden, bereiten sie gerne das „Nest“ für ihr Kind vor. Es herrscht eine fröhliche und aufgeregte Stimmung. Auch seelisch und geistig können werdende Eltern sich vorbereiten. Dazu gehört es, die eigene Mediennutzung kritisch zu hinterfragen und medienfreie Zeiten einzulegen. Insbesondere für die werdende Mutter empfehle ich, in einen Medienbewusstseins-Prozess für sich zu gehen. Dazu gehört: Der Morgen und Abend ist handyfrei, das Schlafzimmer sowieso. Das Einrichten eines schönen „Kraftplatzes“ mit Blumen, Kissen und Zeit für Innerlichkeit kann in dieser Zeit unterstützen. Oft nehmen werdende Mütter bewusst Kontakt mit ihrem Neugeborenem auf und sprechen mit ihm oder streicheln über den Bauch. Auch diese Zeit sollte medienfrei sein. Und natürlich sollte die Zeit genutzt werden, um sich zu informieren, wie man z. B. mit dem Thema Datenschutz (Babyfotos in Internet) umgehen will.

Schwangere berührt ihren Babybauch

Mal angenommen, die ersten drei Jahre werden erfolgreich „bildschirmfrei“ bestanden. Wie geht’s danach weiter?

Wir haben die Bildschirmnutzung je nach Alter gestaffelt: Von drei bis sechs Jahren empfehlen wir eine Nutzung von höchsten 30 Minuten täglich. Von sechs bis neun Jahren höchstens 45 Minuten. Wenn Bildschirmmedien zum Einsatz kommen, ist es wichtig, altersgerechte Formate zu wählen und vorab zu prüfen, ob die Inhalte passend sind, Stichwort: mediengerechte Erziehung. Nach dem Fernsehen empfehlen wir, die gesehenen Inhalte gemeinsam zu besprechen. Danach sollten mindestens 30 Minuten für Spiele und Unterhaltungen eingeplant werden. Die letzte Stunde vor dem Einschlafen, besser noch länger, sollte frei von Bildschirmen im Familienausklang des Tages gestaltet werden. Wenn ältere Geschwisterkinder Bildschirmmedien nutzen, sollte der Raum gewechselt werden.

Kleinkind stapelt bunte Bögen aufeinander
Kleinkind verfolgt Fingerspiel der Mutter

Und was ist, wenn sich Kinder schon ans Fernsehen gewöhnt haben? Wie kommen sie davon wieder weg?

Zunächst einmal müssen Eltern es wirklich wollen, damit sie am Widerstand, der am Anfang vom Kind kommen wird, nicht wieder einknicken. Wir empfehlen, den Fernseher zu entfernen und beispielsweise in den Keller zu tragen oder auf dem Dachboden zu lagern. Sie sollten das Gerät aber zumindest „unsichtbar“ machen (z. B. mit einem Tuch über dem Fernseher). „Aus den Augen aus dem Sinn“ funktioniert in dieser Altersstufe noch sehr gut und wenn Sie dann noch ein Repertoire von schönen Alternativangeboten haben, werden schnell keine Fragen mehr kommen.

Und wie sieht es mit dem ersten eigenen Handy aus? Was empfehlen Sie?

Ein eigenes Handy wird frühestens ab neun Jahren empfohlen, ich empfehle besser erst ab 12 Jahren ein eigenes Handy zu haben. Der Internetzugang sollte dabei eingeschränkt sein und der Kinderschutz aktiviert werden. Kindern im Alter von neun bis 12 Jahren sollte nur beaufsichtigter Internetzugang gewährt werden. Bei der Internetnutzung wie bei allen digitalen Medien sollte das Kind bei der Nutzung von Anfang an und optimalerweise bis ins hohe Jugendalter begleitet werden. Natürlich ändert sich die Qualität der Begleitung, später ist es vor allem wichtig, dass Eltern sich immer wieder für die Inhalte interessieren, die ihre Kinder am Bildschirm konsumieren und dass die Kinder wissen, dass sie mit allen, wirklich allen Problemen immer zu den Eltern kommen können. Wir unterschätzen oft, was die Jugendseele so alles am Bildschirm hinter verschlossener Zimmertüre erlebt. Wir müssen aktiv an den Jugendlichen dranbleiben und um die Einhaltung der vereinbarten Zeiten ringen, sonst kann die Nutzung auch zur Sucht werden.

Vielen Dank für das Gespräch. 

Dr. med. Silke Schwarz

Dr. med. Silke Schwarz ist Kindergarten- und Schulärztin. Sie lebt im Kölner Umland, führt eine Beratungsstelle für Kinder und leitet als Wissenschaftlerin den Forschungsbereich Kindermedizin & Pädagogik an der Universität Witten/Herdecke.

Direkt zu den Initativen:

Bildschirmfrei bis 3 

MedienFasten

 

Weiterführende Literatur:

Elternsprechstunde | Verlag Urachhaus

Brain Rules für Ihr Baby

 

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