Schulzeit: vom Zahnwechsel bis zur Pubertät
Der Zahnwechsel markiert eine deutliche Veränderung deines Kindes. Zum einen wandelt sich sein Körper: Die Gliedmaßen strecken sich, der rundliche Körper des Kleinkinds bekommt nun eine Taille, sichtbare Muskeln und Gelenke, Ecken und Kanten. Parallel dazu ist dein Kind bereit, Neues zu entdecken. Indem sich das enge Band zur Familie etwas lockert, wird der Radius des Kindes größer. Die Schulzeit kann kommen.
Mit ihr kommen neue Vorbilder, neue Eindrücke und Anforderungen, die das Gefühls- und Seelenleben deines Kindes fordern. Deshalb kann ein Schulkind mitunter sehr dünnhäutig und empfindlich sein. Unbestimmtes Bauchweh ist ein typisches Symptom. Vor allem im 9. /10. Lebensjahr – rund um den so genannten Rubikon – beobachten viele Eltern, dass sich ihr Kind abgrenzt und zu Ängstlichkeit oder Traurigkeit neigen kann.
So viel Wandel in dieser Lebensphase auch ansteht: Es ist eine Zeit, in der die meisten Kinder sehr gesund sind.
Was bedeutet der so genannte Rubikon?
Mit dem Rubikon überschritt Julius Cäsar nicht nur einen kleinen Fluss, sondern eine Grenze, von der an es kein Zurück mehr gab. Rudolf Steiner überträgt dieses Bild auf die kindliche Entwicklung.
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Zwischen dem neunten und zehnten Geburtstag verlieren Kinder oft ihre Unbekümmertheit, werden ernster, kritischer, entdecken ihr Selbst in Abgrenzung zu anderen. Es ist der erste Abschied von der Kindheit. Dieser Prozess kann das große Kind mitunter traurig und einsam machen.
Eine gute Zeit für Beziehungsarbeit
Dr. David Martin, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin an der Filderklinik bei Stuttgart beschäftigt sich mit dieser wichtigen Lebensphase: „Im Rubikon schließt sich eine emotionale Nabelschnur, die die Kinder bisher mit den Eltern verbunden hat. Plötzlich kommt das Kind nicht mehr aus der Schule und rennt den Eltern in die Arme. Es wird selbstständiger, ist viel mit Freunden unterwegs und hat Geheimnisse.“
„Während sich das Kind tagsüber von den Eltern entfernt, ist es am Abend emotional aufgeschlossener“
Dr. David Martin, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin
Aber: „Während sich das Kind tagsüber von den Eltern entfernt, ist es am Abend emotional aufgeschlossener“, so Martin. „Außerdem ist auffallend, dass die Kinder in diesem Alter häufig Bedürfnisse nach Nähe und Kontakt haben wie ein vier-, fünfjähriges Kind. Das Kind braucht dann sehr viel nonverbalen Kontakt, da es seine Gedanken und Erlebnisse oft nicht in Worte fassen kann.“
Rituale geben Geborgenheit
Genieße diesen Kontakt, kuschle mit deinem Kind, kocht gemeinsam und ruft kleine Geborgenheitsrituale ins Leben: Du kannst deinem Kind zum Beispiel den Rücken mit einem hüllenden Öl einreiben oder jeden Abend feierlich die Bettdecke aufschütteln und liebevoll um die Füße wickeln.
„Das Schöne daran ist“, erklärt Dr.David Martin, „dass die Kinder diese Rituale bis in die Pubertät hinein mitnehmen. Sie vermitteln ein Gefühl der Geborgenheit und Nähe. Ein Gefühl, das das Kind in der Pubertät immer noch braucht.“
Regeln geben Halt
In Umbruchzeiten braucht dein Kind Halt. Ganz wörtlich genommen, indem du einen kleinen Schemel unter zappelige Füße schiebst, indem du es abends fest in den Arm nimmst oder – wenn es so viel Nähe nicht duldet – ihm kurz mal über den Rücken streichst. Auch ein direkter Augenkontakt gibt Halt.
Dein Kind sollte wissen, dass es dir wichtig ist. Mitunter gehört eine Auseinandersetzung dazu. Je klarer und konsequenter du bist, desto wertvoller können Auseinandersetzungen sein. Regeln helfen dir dabei. Viele Familien machen gute Erfahrungen, wenn Regeln gemeinsam besprochen und beschlossen werden. Und wenn Erwachsene begründen, warum ihnen eine Regel wichtig ist. So lernen Kinder Werte zu respektieren.