Elternratgeber Kleinkindzeit: von Krabbeln bis Zahnwechsel
In der Phase zwischen Säuglingszeit und Zahnwechsel entdecken Kinder die Welt: erst an der Hand und zunehmend auf eigenen Füßen, mit eigenen Worten. Sie müssen sich alles ganz genau anschauen, denn sie lernen, indem sie nachahmen. Dieses Nachahmen und die Eindrücke der Sinneswahrnehmung wirken tief in den kindlichen Organismus hinein.
So bilden sich die Grundlagen für eine lebenslange Gesundheit. Davon profitiert dein Kind langfristig – auch wenn es in der Kleinkindzeit noch häufig krank werden kann. Bis zu zwölf Infekte im Jahr sind nicht ungewöhnlich.
Kleine Nachahmer brauchen große Vorbilder
Dein kleines Kind ahmt nach, ohne nachzudenken – es liegt in seiner Natur. Deshalb sucht es in der Erwachsenenwelt nicht so sehr nach Spielkameraden, sondern nach Vorbildern. Als Eltern sind wir seine wichtigsten Vorbilder. Aber auch größere Geschwister, präsente Großeltern, Tagesmütter oder Erzieher übernehmen eine Vorbildfunktion. Von ihnen schaut sich das Kind ab, wie man einen Tisch abwischt, den Bruder tröstet, ein Hemd zuknöpft oder die Ameise bewundert, ohne ihr zu nahe zu treten.
Sobald dein Kind mit freien Händen laufen kann, kann es dir helfen. Es guckt, es übt, es lernt. Durch regelmäßiges Tun festigen sich gute Gewohnheiten, wie zum Beispiel das Zähneputzen oder Aufräumen des Kinderzimmers. Kleine Rituale – ein Zahnputzlied, fünf gemeinsame Aufräumminuten vor dem Abendessen – vereinfachen allen Beteiligten das Einüben wichtiger Tätigkeiten.
„Rituale geben dem Kind Sicherheit und Selbstbewusstsein. Es kennt sich aus. Die Rituale machen es möglich, dass die Welt des Kindes überschaubar wird. Und in dieser überschaubaren Welt kann es agieren.“ Ruth Kiesel, Waldorf-Erzieherin in Eckwälden
Die Kunst der ungeteilten Aufmerksamkeit
Um sich geborgen zu fühlen und sich gesund zu entwickeln, braucht dein Kind eine besondere Art der Aufmerksamkeit: Ungeteilt sollte sie sein und nur dem Kind gelten.
Wenn du ihm fest in die Augen schaust und seine Fragen beantwortest, ihr euch gemeinsam in ein Fingerspiel vertieft, du unten an der Rutsche wartest oder einfach neben ihm sitzt und sein Spielen verfolgst, gibst du deinem Kind Halt. Dabei kommt es nicht auf die Dauer an, sondern darauf, dass du voll und ganz anwesend bist. Erlaube deinem Kind bei aller Aufmerksamkeit, sich frei zu bewegen. Pestalozzi rät: „Lass es gehen und hören, finden und fallen, aufstehen und irren.“
Spielsachen oder Sachen zum Spielen
Kinder brauchen nicht viel, um ins Spiel zu kommen und in ihrer eigenen Welt zu versinken: Tisch und Decke werden zur Höhle, ein Stock dient heute als Stift, morgen als Schwert und übermorgen als Pferd.
Rudolf Steiner meint: „Nicht ein Abbild der Wirklichkeit soll man dem Kinde geben. Die Nachahmung darf die Phantasie nicht einschnüren.“ Bei Spielsachen kannst du dich von einem einfachen Satz leiten lassen: Weniger ist mehr. Und wenn das Kinderzimmer trotzdem vollsteht? Räume einen Teil des Angebots zeitweise weg und lass Dinge rotieren. Dein Kind wird ein wieder aufgetauchtes Spielzeug mit Freuden begrüßen.
Die Welt ist schön
Dein Kind hat eine besondere Gabe: Es kann über die kleinsten Dinge staunen und so die Schönheit der Welt ganz unmittelbar erfassen. Den meisten Erwachsenen ist diese Gabe abhanden gekommen. Mit einem Kind kannst du dir ein wenig davon zurückerobern.
Besonders gut geht das in der Natur: Wie weich das Moos ist, wie dick der Baumstamm, wie stark die Ameise. Wer mit allen Sinnen draußen unterwegs ist, wer barfuß laufen und dreckig werden darf, kann vieles entdecken – und schult zugleich seinen Bewegungs-, Tast- und Gleichgewichtssinn.
Vielleicht lädst du die Natur auch zu dir nach Hause ein und reservierst einen kleinen Tisch, eine Schale oder ein Fensterbrett, um die Jahreszeiten zu würdigen. Mehr zum Thema Jahreszeitentisch findest du in unserem Naturwichte Blog.
Der Sinn von Kinderkrankheiten
Krankheiten im Kindesalter haben eine wichtige Aufgabe: Sie unterstützen ein Kind darin, seinen Körper ganz zu durchdringen und an die eigenen Bedürfnisse anzupassen. Lasse deinem Kind Zeit, krank zu sein. Und nimm dir Zeit für dein krankes Kind. Denn entscheidend ist, dass es seine Krankheit gut umsorgt durchleben kann. Das stärkt sowohl sein Immunsystem als auch seine Selbstheilungskräfte. Du wirst oft gerade nach fieberhaften Erkrankungen wahre Entwicklungssprünge bei deinem gesundeten Kind beobachten.