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Begegnung auf Augenhöhe

Viel ist heute von „Qualität“ die Rede, auch im medizinischen Bereich. Angesichts eines fast inflationären Gebrauchs des Begriffs droht seine Bedeutung manchmal zu verschwimmen. Dabei lohnt es, etwa den Werten der Beziehung zwischen Arzt und Patient nachzuspüren. Wir trafen den anthroposophischen Arzt Dr. Markus Karutz zu einem Gespräch über diese Fragen in seiner Kölner Praxis.

Schon von Weitem fällt das Tobiashaus zwischen den eher nüchternen Mietshäusern und Firmengebäuden ins Auge. Das Ende des 19. Jahrhunderts in der Kölner Südstadt im Fachwerkstil erbaute Kutscherhaus gehörte einst zu einer herrschaftlichen Fabrikantenvilla. Später wurde es zu einem Wohnhaus umgebaut, schließlich Mitte der 1980er-Jahre von der Patienteninitiative Tobias Verein erworben und modernisiert. Heute beherbergt das verwinkelte Gebäude ein Therapeutikum mit einer Gemeinschaftspraxis und Räumen für Heileurythmie, Maltherapie und Sprachgestaltung. Unter dem Dach wohnen seit 25 Jahren der Internist Dr. med. Markus Karutz und seine Frau, die Allgemeinärztin Dr. med. Renate Karutz. Die Dritte im Bunde der heutigen Praxisgemeinschaft ist Dr. med. Sigrid Vormann, Internistin und Psychotherapeutin. Hinter dem Haus liegt ein verwunschener Garten mit alten Bäumen und einem kleinen Teich. Heilpflanzen in den Beeten, Bienenkästen in einer Ecke und eine Terrasse, die Patienten zum Verweilen einlädt – man wähnt sich eher in einer exklusiven Privatklinik als in einer bodenständigen Gemeinschaftspraxis. Welche Rolle spielt hier der Qualitätsbegriff? „Qualität ist ja eine aristotelische Kategorie, die sich gerade von der Quantität unterscheidet“, holt Markus Karutz aus. „Doch das wird heute oft vermischt. Man kann Qualitäten, etwa Farben, wahrnehmen, nicht aber in Zahlen messen – die Wellenlänge gibt eben keine Qualität wieder. Das macht die Qualitätssicherung oftmals problematisch, weil es dort eine starke Tendenz zum Quantifizieren gibt. Natürlich ist es wichtig, Leitlinien zu kennen und fachliches, quantifizierbares Wissen zu haben, aber das ist eben nicht alles.“ Bei seinen Patienten erlebt der Mediziner verschiedene Ebenen, auf denen sie Qualität suchen und erwarten.

Neben dem medizinischen Fachwissen, das allen wichtig ist, schätzen viele Patienten auch ausdrücklich den anthroposophischen Ansatz der Gemeinschaftspraxis. Diese Menschen sind auf der Suche nach einer ganzheitlichen Betrachtung, nach Sinnbezügen, die in der Medizin oft außen vor bleiben müssen: Was hat diese Krankheit mit mir ganz persönlich zu tun?

Persönliche Begegnung

Als dritte und wichtigste Ebene erlebt Markus Karutz jedoch einen weiteren Aspekt. „Das ist die Frage: Bist du bereit, mit mir gemeinsam einen Weg zu gehen? Als Bruder, als Mitmensch“, unterstreicht er. „Ich glaube, das ist die wichtigste Qualität.“ Manche Patienten kennt er schon seit ihrer Kindheit. Heute kommen sie mit ihren eigenen Kindern in die Praxis, weil sie das langjährige Vertrauensverhältnis schätzen. „Häufig bitten mich die Patienten um meine persönliche Einschätzung einer bestimmten Situation – wie würdest du es machen? Da ist eine authentische Antwort gefragt“, ist sich der Hausarzt sicher. Es gibt eine starke Sehnsucht, dem Menschen im Arzt zu begegnen. Nicht zuletzt verstärkt durch Erlebnisse mit unpersönlicher Gerätemedizin und anonymen medizinischen Großbetrieben. Im Vergleich zu einem solchen Zerrbild wirkt das Hausarztmodell, wie es die Ärzte im Tobiashaus pflegen – mit persönlicher Erreichbarkeit bei Notfällen auch an den Wochenenden, mit Hausbesuchen, mit langjährigen Patientenbindungen –, wie aus dem Bilderbuch. Doch wie kann man dieses Ideal angesichts des überall steigenden Kostendrucks in die Zukunft tragen und bewahren?

Die wirtschaftliche Lage der Praxen müsse man durchaus differenziert betrachten, meint Markus Karutz: Während die Verdienstmöglichkeiten für die Ärzte selbst nach wie vor nicht schlecht seien, entstünden Probleme vor allem bezüglich des Praxisbudgets. Neue Therapien verursachen steigende Kosten, ebenso wie technologische Entwicklungen, die schnell einen großen Teil des Budgets schlucken können. Viele Menschen befürchten eine Zweiklassenmedizin. Schon jetzt haben Kassenpatienten in manchen Praxen das Nachsehen. „Wir legen großen Wert darauf, alle Patienten zu versorgen – wir sind Kassenärzte aus Überzeugung“, betont Markus Karutz. Und er sieht durchaus Handlungsmöglichkeiten, um dem Kostendruck zu begegnen: „Wenn wir uns Zeit für Gespräche nehmen, dann wird häufig klar, dass die Patienten keine somatischen, also keine körperlichen Beschwerden haben. Wenn es gelingt, die eigentlichen Probleme aufzuspüren, können wir alternative Handlungsmöglichkeiten aufzeigen, statt auf aufwendige technische Diagnostik zu setzen.“ Das entlastet das Praxisbudget. Es entstehen Spielräume, die es erlauben, an anderen Stellen auch einmal teure Arzneimittel zu verschreiben, wenn es sinnvoll ist. Zusätzlich verschafft die Struktur der Gemeinschaftspraxis wirtschaftliche Vorteile: Das Team kann die vorhandenen Ressourcen optimal nutzen und dadurch Personal- und Raumkosten niedrig halten.

Bewusstsein schaffen

Dennoch bleibt die Herausforderung, Akzeptanz und Bewusstsein für die Qualität anthroposophischer Therapien und Arzneimittel zu schaffen. Zumindest einige Kassen übernehmen die Kosten für Heileurythmie, Maltherapie oder andere Therapien. „Wir regen bei den Patienten an, eine Kasse zu wählen, die eine sogenannte integrierte Versorgung anbietet und ärztliche Leistungen und Therapien der Anthroposophischen Medizin erstattet“, berichtet Markus Karutz. Außerdem gibt es im Tobiashaus einen Therapiefonds, der in Einzelfällen Unterstützung leistet. Bei den Arzneimitteln ist die Lage meist schwieriger. Auch die erwähnten Kassen übernehmen die Kosten nicht, außer in speziellen Fällen, etwa bei bestimmten verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. „Das ist in der Tat ein großes Problem“, bestätigt Markus Karutz. „Ich habe nicht selten erlebt, dass Patienten mit dem Rezept nach Hause gingen, es aber aus Kostengründen nicht einlösen konnten.“ Die im Vergleich zu gängigen homöopathischen Präparaten teilweise etwas höheren Preise anthroposophischer Arzneimittel hängen unter anderem mit aufwändigen und qualitativ hochwertigen Herstellungsprozessen zusammen. Diese Tatsache ist erklärungsbedürftig. Wie können anthroposophische Ärzte damit umgehen? „Das ist ein Prozess“, unterstreicht Markus Karutz. „Bei den Menschen, die gezielt Homöopathische oder Anthroposophische Medizin suchen, kann ich in einen qualitativen Dialog eintreten. Wir nehmen uns dann die Zeit, die Besonderheiten der Anbauverfahren oder den hohen Anteil der Handarbeit in der Herstellung zu erläutern.“

Gemeinsam mit seinen Kolleginnen beschreitet er noch einen weiteren Weg, um Aufklärung zu leisten: In öffentlichen Vorträgen und Seminaren bieten sie etwa Heilpflanzenbetrachtungen an oder Informationen zu einzelnen Arzneimitteln. Offene Sprechstunden zu Themen wie Schlafstörungen, Bluthochdruck oder gesunde Ernährung ergänzen diese Angebote. Auch sonst ist das Team gut vernetzt: Renate Karutz ist Schulärztin an der Kölner Waldorfschule, ihr Mann steht in engem Austausch mit dem Demeter-Hof Bollheim. Sigrid Vormann, die Psychotherapeutin, pflegt entsprechende Kontakte in ihrem beruflichen Umfeld. Hinzu kommt eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit der Anthroposophischen Gesellschaft. Dieser enge Schulterschluss ist heute unverzichtbar. „Ich halte es für eine zentrale Aufgabe des heutigen Arztes, Teil eines Beziehungsnetzes zu sein“, so Markus Karutz.

Den inneren Arzt aktivieren

Und welche Rolle spielt die Eigenverantwortung der Patienten – wie können anthroposophische Ärztinnen und Ärzte sie stärken? Viele Patienten des Tobiashauses sind Menschen, die sich sehr bewusst mit ihrer Lebensführung auseinandersetzen. Bei der Diagnose Bluthochdruck etwa wollen sie nicht einfach Tabletten nehmen, sondern selbst etwas tun. „Das ist eine löbliche Haltung, denn gerade in einem solchen Fall gibt es eine Menge Faktoren, mit denen man selbst Einfluss nehmen kann, etwa durch Abnehmen, Bewegung, Entspannungstechniken und innere Arbeit“, so Markus Karutz. „Leider stelle ich allerdings immer wieder fest, dass die Umsetzung der guten Vorsätze mehr als schwierig ist.“ Die Gründe sind offensichtlich: Zeitdruck, hohe Ansprüche im Beruf und auch im Privatleben. „Das ist keineswegs nur fehlender Wille, sondern neben fehlenden Kräften auch handfeste soziale Not“, meint der Mediziner. Gerade deshalb sei es besonders wichtig, prophylaktisch zu wirken, etwa durch Aufklärung in den Schulen. „Bei Eltern von kleineren Kindern kann ich oft Interesse für eine gesunde Lebensführung wecken“, weiß Markus Karutz aus Erfahrung. „Da stehen dann auch Kräfte zur Verfügung, die den inneren Arzt aktivieren. Das muss man sehr langfristig sehen, bis in die nächsten Generationen hinein.“ Umso wichtiger sei es, aus der Praxis herauszugehen und auch gesellschaftlich aktiv zu werden.

Die Anthroposophie stellt den Menschen sowie seine individuelle Freiheit und Entwicklung in den Fokus. Inwiefern ist diese Perspektive auch für die Anthroposophische Medizin von Bedeutung? „Es geht da um die Persönlichkeitsebene: Ich muss den Menschen ernsthaft und auf Augenhöhe als Gegenüber betrachten. Dazu kann auch gehören, Entscheidungen zu begleiten, die ich selbst anders treffen würde“, so Markus Karutz. Neben äußeren Merkmalen der Anthroposophischen Medizin – etwa bestimmten Arzneimitteln, Anwendungen, Therapien – sei es gerade diese innere Dimension, die eine besondere Qualität schaffe: „Ich habe einen heiligen Respekt vor dem Schicksal des anderen und versuche, dem nachzulauschen. Das geht nicht immer gleich gut, aber zumindest als Impuls ist diese Haltung zentral. In der Verbindung mit Therapieansätzen, die sich direkt an den physischen Leib wenden, die einen Einfluss auf die Lebenskräfteebene nehmen und auch die seelische Dimension berücksichtigen, ist die Einbeziehung dieser spirituellen Dimension für mich ein Alleinstellungsmerkmal der Anthroposophischen Medizin.“

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